Die Geophagus der südlichen Klarwasserzuflüsse des Amazonas in Para; Brasilien
Jens Gottwald in Aquaristikfachmagazin Ausgabe 191
Im Bundesstaat Pará in Brasilien gibt es drei große Klarwasserflusssysteme, die von Süden in den Amazonas entwässern. Der westlich gelegene ist der Rio Tapajos, in der Mitte fließt der Rio Xingú und am weitesten östlich befindet sich der Rio Araguaia/Tocantins. Durch viele Importe von Aquarienfischen aus dieser Region lässt sich mittlerweile ein relativ genaues Verbreitungsbild der Erdfresser aus der Gattung Geophagus darstellen. Es scheint eine Parallelentwicklung in den drei Systemen stattgefunden zu haben. Die Leitfähigkeit ist dort überall relativ niedrig mit ca. 20 bis 40 µS und einem pH-Wert zwischen 5,5 und 6,2.
Es gibt Geophagus altifrons in allen drei Systemen, wobei die Art in der Farbgebung große Unterschiede aufweist. Selbst innerhalb des Rio Xingú sahen Tiere im amazonischen Bereich anders aus als die im endemischen Bereich befindlichen Tiere. Zu erkennen ist Geophagus altifrons an dem extrem kleinen Seitenfleck (maximal vier Schuppen groß) und der feinen hellen Punktzeichnung in der Schwanzflosse. Die Art wird mit einer Gesamtlänge von 30 cm relativ groß. Es handelt sich um einen ovophilen Maulbrüter, daß heißt, er nimmt die Eier unmittelbar nach der Eiablage ins Maul auf.
Da Geophagus altifrons ein riesiges Verbreitungsgebiet besitzt, lebt diese Art fast immer mit verschiedenen anderen sympatrisch, also in einem gemeinsamen Lebensraumteil. Das führte dazu, dass diese Arten meist mit Geophagus sp. aff. altifrons + Fundort angesprochen wurden.
Da sie jedoch mal mit der einen und mal mit einer anderen Art zusammenleben, halte ich es für wichtig, diese Ungenauigkeit aufzuklaren. Leider wurde noch keine Spezies dieser Artkomplexe wissenschaftlich beschrieben, so dass man sie am besten durch "sp. cf. altifrons" und "sp. aff. altifrons" trennt.
Am schnellsten kann man die Artkomplexe durch die Zeichnung der Schwanzflosse voneinander abgrenzen. Es gibt Fische, die wie G. altifrons eine fein gepunktete Schwanzflosse besitzen. Andere haben eine quergestreifte Schwanzflosse. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die Arten mit gestreifter Schwanzflosse als Jungtiere ebenfalls eine gepunktete Schwanzflosse haben; mit zunehmendem Alter verbinden sich die Punkte jedoch zu Streifen. Diese Modifikation der Zeichnung im Laufe der individuellen Entwicklung verläuft meines Erachtens nur von gepunkteten Schwanzflossen zu gestreiften, nicht umgekehrt. Im Phänotyp ähneln die Arten mit großem Seitenfleck und hell gepunkteter Schwanzflosse G. altifrons ein wenig mehr, weswegen ich die Bezeichnung Geophagus sp. cf. altifrons + Fundort vorschlage. Es handelt sich bei diesem Formenkreis ebenfalls um ovophile Maulbrüter.
Schwanzflossen von Jungtieren typischer Vertreter der einzelnen Geophagus-Artengruppierungen:
Geophagus altifrons 'Xingú' Geophagus altifrons "Xingú"
Geophagus sp. 'Xingú' Geophagus sp. "Xingú"
Geophagus argyrostictus 'Altamira' Geophagus argyrostictus "Altamira"
Geophagus sp. aff. altifrons 'Tapajos' Geophagus sp. aff. altifrons "Tapajos"
Geophagus sp. cf. altifrons 'Tocantins/Araguaia' Geophagus sp. cf. altifrons "Tocantins/Araguaia"

Um Verwechslungen bei der Artbenennung zu vermeiden, schlage ich folgende neue Geophagus-Namen vor (im Vergleich mit denen aus der Literatur):
Neuer Vorschlag STAWIKOWSKI & WERNER (2004) WEIDNER (2000)
G. altifrons 'Tocantins' G. altifrons 'Tocantins' G. altifrons 'Tocantins'
G. altifrons 'Xingú' G. altifrons 'Xingú' G. altifrons 'Xingú'
G. altifrons 'Tapajos' G. altifrons 'Tapajos' G. altifrons 'Tapajos'
G. sp. aff. altifrons 'Tocantins/Araguaia'    
G. sp. aff. altifrons 'Xingú'    
G. sp. aff. altifrons 'Tapajos' G. sp. aff. altifrons 'Tapajos'  
G. sp. cf. altifrons 'Tocantins' G. sp. aff. altifrons 'Tocantins/Araguaia' G. sp. 'Rio Areoes'
G. sp. cf. altifrons 'Xingú' G. sp. cf. altifrons 'Xingú' G. sp. 'Altamira'
G. sp. 'Tocantins/Araguaia' G. sp. 'Tocantins' G. sp. 'Araguaia-Orange Head'
G. sp. 'Xingú' G. sp. 'Xingú I'  
G. sp. 'Tapajos' G. sp. 'Tapajos I' G. sp. 'Tapajos-Orange-Head' / G. sp. 'Tapajos-Red Cheek'
G. sp. aff. argyrostictus 'Araguaia' G. sp. 'Araguaia' G. sp. 'Porto Franco'
G. argyrostictus G. argyrostictus G. argyrostictus
G. sp. aff. argyrostictus 'Tapajos' G. sp. 'Tapajos I' G. cf. argyrostictus 'Tapajos'

Aus dem Rio Araguaia ist eine Art mit dem Populärnamen Geophagus sp. "Areoes" zu uns gelangt. Dieser in der Aquaristik weit verbreitete Erdfresser wird meistens nicht größer als 23 cm. Aus dem Xingú verbirgt sich der als Geophagus sp. "Altamira" bezeichnete Erdfresser dahinter. Er kann immerhin auch bis zu 30 cm Gesamtlänge erreichen. Im Rio Tapajos fehlt noch ein Nachweis einer Art dieses Komplexes, doch ist der Oberlauf dieses Flusses selten kommerziell befischt worden.
Die Arten des Komplexes, die ich als Geophagus sp. aff. altifrons + Fundort bezeichnen möchte, zeichnen sich durch einen großen Seitenfleck und eine gestreifte Schwanzflosse aus. Auch sie erwiesen sich, soweit schon nachgezüchtet, als ovophile Maulbrüter. Diese Cichliden können auch über 25 cm groß werden. Aus dem Artkomplex gibt es in jedem der drei Flüsse eine Spezies, jedoch ist kein Populärname verfügbar.
Der vierte Artkomplex besteht aus den Rotkopf-Erdfressern. Hier sind Arten aus allen drei Systemen bekannt. Sie entpuppten sich als larvophile Maulbrüter. Zuerst kamen Fische aus dem Rio Araguaia zu uns. Ihre Rotfärbung im Kopfbereich zeigt sich nur bei ausgesprochenem Wohlbefinden. Die Art aus dem Rio Tapajos präsentiert sich häufiger in ihrer Prachtfärbung, auch die Farbintensität ist bei ihr kräftiger. Aus dem Rio Xingú sind bisher erst zwei Männchen eingeführt worden, vielleicht liegt es daran, dass sie bisher eher blass erschienen. Sie bleiben mit ca. 20 cm Gesamtlange relativ klein.
Die Tränenstrich-Erdfresser bilden den letzten in diesem Zusammenhang aufzuführenden Komplex. Der Name rührt von dem blaugrünen Streifen unterhalb des Auges, der in Richtung Schnauze abfallend verläuft. Es sind Offenbrüter im klassischen Sinn. Die Endgröße dieser Arten liegt bei ca. 30 cm. Diese Erdfresser leben fast immer im Bereich von Stromschnellen und sind deutlich schwimmfreudiger und aggressiver als ihre Verwandten. Aus dem Rio Araguaia/Tocantins kam Geophagus sp. "Porto Franco" zu uns. Aus den Rio Xingú wurde Geophagus argyrostictus beschrieben. Geophagus sp. aff. argyrostictus (Rio Tapajos) gelangte aus dem gleichnamigen Fluss zu uns. Am Beispiel von Geophagus agyrostictus möchte ich demonstrieren, dass die Tiere innerhalb des Flusses variieren und es sich bei den Fischen der anderen Flüsse um eigenständige Arten handelt. Die bekannteste Variante stammt aus dem Mittellauf des Rio Xingú bei Altamira. Geophagus argyrostictus im Unterlauf des Xingú bei Tamanduazinho hat einen deutlich größeren Seitenfleck, der sich sogar überhalb der Seitenlinie zeigt. Die Tiere des Oberlaufes bei Sao Felix do Xingú zeigen zusätzlich rotbraune Flecke im Bereich zwischen Kiemendeckel und Seitenfleck. Zur Pflege dieser Erdfresser bietet sich generell ein Schwarm von sechs bis acht Tieren an, aus dem sich ein oder mehrere Pärchen zusammen finden können, ohne jedoch die anderen zu verbeißen. Eine Aquarienlänge von 150 bis 180 cm bzw. einem Volumen von 450 bis 700 Litern ist wünschenswert für die erfolgreiche Pflege dieser Erdfresser. Entgegen anders lautender Literatur halte ich bepflanzte Aquarien für möglich, da der zur Nahrungsaufnahme durchgekaute Bodengrund zum Großteil in die entstandene Grube zurückgespuckt wird und bereits angewurzelte Pflanzen nicht beschädigt werden. Es bieten sich jedoch robuste Pflanzen an (Anubias, Crinum, Cryptocoryne, Echinodorus und Vallisneria). Der Bodengrund sollte gerade bei Jungfischen nicht zu grob sein, 2 bis 3 mm Körnung halte ich aber für noch geeignet. Quarzsand ist nicht notwendig, weil die Gefahr einer Verdichtung und somit Entstehung anaerober Zonen im Bodengrund steigt. Über dunklem Grund werden gewöhnlich kräftigere Farben gezeigt. Als Hauptnahrung empfehle ich gefrorene Rote Rückenlarven und als Abwechslung Granulatfutter. Die Gabe von verschiedenen Frostfuttersorten ohne zusätzliches Trockenfutter hat sich in meinem Fall als nicht optimal herausgestellt. Die Tiere blieben deutlich im Wachstum zurück.
Literatur:
STAWIKOWSKI, R. & U.WERNER (2004): Die Buntbarsche Amerikas. – Band 3., Stuttgart
WEIDNER, T. (2000): Südamerikanische Erdfresser. – El Paso, Texas
Jens Gottwald
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